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EU-Lieferkettengesetz ≠ EU-Entwaldungsverordnung

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14.02.2024

Das Lieferkettengesetz und die Entwaldungsverordnung (Deforestation Regulation EUDR) sind nicht (!) dasselbe. Beide Rechtsmaterien regeln Vorschriften zur Beschaffung von Rohstoffen und Vorprodukten (Lieferkette), die EUDR ist eine Form der Spezialgesetzgebung zum Lieferkettengesetz. Eingehalten muss – beides werden. Die Abgrenzung ist mitunter schwierig und unbestimmt. In Kenntnis der Realwirtschaft führen beide Regelungen zu erheblichen bürokratischen Mehrbelastungen, wenn nicht sogar unmöglichen, nicht erfüllbaren Anforderungen. Seit den ersten Ankündigungen der EU dazu wurde von Interessenverbänden und der Wirtschaft massiv Kritik geübt, die bisherige Politik hat dessen ungeachtet an den wettbewerbsschädlichen Plänen festgehalten. Ausgehend von Deutschland entsteht nun Widerstand in der finalen Abstimmung, Österreich und dem Vernehmen nach auch andere EU Länder planen die Zustimmung ebenfalls zu verweigern.  

Details
„EU-Lieferkettengesetz“ ist die Kurzform von „Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit“ oder auch „Corporate Sustainability Due Diligence-Richtlinie (CSDDD)“. Dabei geht es um die Verantwortung von Unternehmen für die Einhaltung von Menschenrechts-, Öko- und Umweltstandards entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Im Ausland beschaffte Vorleistungsgüter bzw. Fertigerzeugnisse sollen in allen Phasen ihrer Wertschöpfungskette auf etwaige umweltschädigende oder gegen angemessene Arbeitsbedingungen verstoßende Produktionsverfahren zurückverfolgt werden. Schwerpunkte sind die Einhaltung von Umweltstandards, inklusive Klimaschutz, aber insbesondere auch Menschenrechte, Arbeitsrecht, Ausbeutung, fairer Handel und Kinderarbeit. Mit der Richtlinie sollen auch bereits bestehende nationale Regelungen europäisch vereinheitlicht werden.

Die neuen Sorgfaltspflichten gelten für die folgenden Unternehmen und Sektoren:

  • EU-Unternehmen:
    • Gruppe 1: alle EU-Gesellschaften mit beschränkter Haftung von erheblicher Größe und Wirtschaftskraft (mit mindestens 500 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von mindestens 150 Mio. EUR weltweit)
    • Gruppe 2: andere Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die in bestimmten ressourcenintensiven Branchen tätig sind und die nicht beide Schwellenwerte der Gruppe 1 erfüllen, aber mehr als 250 Beschäftigte und einen Nettoumsatz von mindestens 40 Mio. EUR weltweit haben. Für diese Unternehmen gelten die Vorschriften zwei Jahre später als für Gruppe 1.
  • in der EU tätige Unternehmen aus Drittstaaten, die einen Umsatz in Höhe von Gruppe 1 und Gruppe 2 innerhalb der EU erwirtschaften.

Der Anwendungsbereich umfasst EU-weit etwa 13.000 Unternehmen. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sollen nicht direkt in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen. Dennoch werden sie als Auftragnehmer oder Unterauftragnehmer von den Bestimmungen betroffen sein. Ob und inwieweit die bereits oben angesprochenen Maßnahmen einen effektiven Schutz vor dem Abwälzen der Verpflichtungen auf KMUs bieten, ist fraglich.

Die Sorgfaltspflicht gilt nicht nur für die Unternehmen selbst, sondern auch für ihre Tochtergesellschaften und die Wertschöpfungsketten – direkt und indirekt bestehende Geschäftsbeziehungen. Tatsächliche oder potenzielle negative Auswirkungen auf Menschenrechte und/oder Umwelt sollen ermittelt werden und wirksame Strategien erarbeitet werden, diese zu minimieren. Ein Beschwerdeverfahren sowie die öffentliche Kommunikation über die Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen sollen ihr Übriges tun. Das Management soll zur Berücksichtigung und Durchsetzung dieser Interessen in der Unternehmensstrategie verpflichtet werden.

Zur Durchsetzung sieht der Vorschlag die Möglichkeit für nationale Behörden vor, Verwaltungsstrafen zu verhängen. Darüber hinaus soll es Organisationen und Individuen gestattet werden, zivilrechtlich gegen erlittene, vermeidbare Schäden vorzugehen. Begleitmaßnahmen für alle Unternehmen, inklusive KMU, sind vorgesehen. Dazu zählen eigene oder gemeinsame Websites, Plattformen oder Portale, Mustervertragsklauseln sowie eine mögliche finanzielle Unterstützung.

Die Europäische Kommission hatte im Februar 2022 ihren Vorschlag veröffentlicht. Seit Dezember 2023 besteht eine vorläufige politische Einigung („Trilog“) zwischen Kommission, dem Europäischen Parlament und den Regierungen der Mitgliedstaaten. Eine geplante Abstimmung im Europäischen Rat am 9. Februar 2024 wurde vertagt.

Die EU-Entwaldungsverordnung, kurz EUDR, trat am 29. Juni 2023 in Kraft. Nicht-KMU Unternehmen müssen die Verpflichtungen mit 30. Dezember 2024 erfüllen, KMU-Unternehmen mit 30. Juni 2025, sind aber indirekt schon früher betroffen.

Mit der Verordnung soll sichergestellt werden, dass Produkte, die aus bestimmten Rohstoffen (Kaffee, Kakao, Palmöl, Soja, Rindfleisch, Gummi und Holz) hergestellt und in der EU in Verkehr gebracht oder aus der EU exportiert werden, bei ihrer Herstellung keine Entwaldung oder Waldschädigung verursacht haben. Die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht für Holz ähneln zwar denen, die zuvor in der EUTR (European Timber Regulation) festgelegt wurden, aber der Geltungsbereich ist deutlich größer (Binnenmarkt und Export).

Betroffene Waren und Erzeugnisse dürfen nur dann auf dem Unionsmarkt in Verkehr gebracht, bereitgestellt oder aus dem Unionsmarkt ausgeführt werden, wenn alle folgenden Bedingungen erfüllt sind:

  • sie sind entwaldungsfrei;
  • sie wurden im Einklang mit den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes hergestellt, und
  • sie sind durch eine Sorgfaltserklärung abgedeckt.

Um nachzuweisen, dass die betreffenden Rohstoffe und Produkte legal und entwaldungsfrei sind, müssen die Unternehmen eine Sorgfaltspflichtregelung einführen und umsetzen. Ein solches System sollte mindestens jährlich überprüft und regelmäßig an relevante Entwicklungen angepasst werden. Die Sorgfaltsprüfung hat folgende drei Elemente umfassen:

  • Informationsbeschaffung mit Angaben u. a. zum Ursprungsland, Geolokalisierungsdaten und überprüfbaren Informationen darüber, dass die betreffenden Rohstoffe und Produkte „entwaldungsfrei“ sind und unter Einhaltung der einschlägigen Rechtsvorschriften des Ursprungslands hergestellt wurden.
  • Risikobewertung: die gesammelten Informationen sind zu überprüfen und es ist fest-zustellen, ob die Produkte der Verordnung entsprechen (vernachlässigbares oder kein Risiko).
  • Risikominderung: ergibt die Risikobewertung, dass von keinem vernachlässigbaren Risiko auszugehen ist, muss der Markteilnehmer Risikominderungsmaßnahmen ergreifen, um das Risiko auf ein vernachlässigbares Niveau zu senken. Risikominderungsmaßnahmen sind z.B. die Anforderung zusätzlicher Informationen oder auch Vor-Ort-Audits.

Die EU-Kommission wird ein Informationssystem („Register“) einführen. In dieses Informationssystem werden die Sorgfaltspflichterklärungen eingepflegt und die einmalige Referenznummer vergeben. Dieses Tool wird auch für die Zusammenarbeit der zuständigen Behörden verwendet. Das Informationssystem soll auch als digitale Schnittschnelle mit ERP-Systemen dienen.

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